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Hong Kong (香港)

Anfang Dezember stand mal wieder ein Kurzurlaub an. Dieses Mal nach Hong Kong, wo ich Sven, einen Freund und ehemaligen BiTS-Kommilitonen, besucht habe. Zudem waren zur gleichen Zeit noch zwei meiner ehemaligen Kommilitonen von Rutgers in Hong Kong, also hat sich die Reise gleich doppelt gelohnt.

Hong Kong gehört seit 1997 offiziell zu China, auch wenn es weiterhin viele Sonderrechte genießt. Es ist eine „Sonderverwaltungszone“, mit eigenem Regierungschef, einem autonomen wirtschaftlichen System, eigener Währung und einer separaten Staatsangehörigkeit. Die Zone erstreckt sich über 1.085km2 und hat über sieben Millionen Einwohner, d.h. 6.396 Einwohner pro km2 . Zum Vergleich: Singapur hat eine Grundfläche von 712km2 und fünf Millionen Einwohner, d.h. 7.126 Einwohner pro km2. Die Hauptsprache ist zwar Chinesisch, allerdings Kantonesisch und nicht Mandarin. Die beiden Sprachen teilen zwar dieselben Schriftzeichen, sind allerdings von der Aussprache her so verschieden, dass die Leute sich dialektübergreifend so gut wie gar nicht unterhalten können. Allerdings ist die Stadt trilingual: Kantonesisch (wegen den Einheimischen), Mandarin (wegen Festlandchina) und Englisch (wegen der früheren Kolonisierung durch Großbritannien). Die Stadt soll kulturell, architektonisch und landschaftlich sehr spannend sein, also konnte ich meine Riese dorthin kaum erwarten.

Obwohl es auf der Karte recht nah aussieht beträgt die Flugdauer von Singapur doch knapp vier Stunden. Aber alles lief glatt und Sven wartete am Freitagabend schon auf mich am Ausgang. Weil er direkt vom Büro kam und ich im Billigflieger keine zehn Euro für schlechtes Essen ausgeben wollten fuhren wir samt meinem Gepäck direkt in die Stadt zum Abendessen. Schon in den ersten Minuten fielen mir die Unterschiede zu Singapur auf. Die Gebäude waren alle viel höher und dichter aneinander gereiht. Statt den in Singapur üblichen 10 bis 20 Stockwerken waren es hier eher 30 bis 50. Da Hong Kong selbst sehr bergig ist, findet man eine höhere Dichte an Bauten nahe dem Wasser, kleinere verworrene Sträßchen und generell eine interessanteres Stadtbild als in Singapur, die ja zum Großteil eine Planstadt auf einer extrem flachen Insel ist. Hong Kong ist zwar deutlich „dreckiger“, aber dadurch auch etwas natürlicher und „echter“.

Ein weiterer Grund für meine Reise an genau diesem Wochenende war, dass eine Rutgers-Kommilitonen von mir, Miryam, ebenfalls in Hong Kong sein würde. So konnten wir alle gemeinsam die Stadt erkunden. Und das Wetter spielte glücklicherweise auch mit. Es war zwar etwas neblig, bzw. verrußt (glücklicherweise bei weitem nicht so sehr wie in Peking oder Shanghai), doch es war warm und regnete nicht. Also erklommen wir alle gemeinsam am nächsten Tag einen der umliegenden Berge, auf dem sich der große Buddha befindet. Dieses große buddhistische Monument ist als Touristenattraktion bekannt und symbolisiert das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Religion. Ehrlich gesagt nicht wirklich beeindruckend, doch ein „must see“ wenn man schon hier ist.

Zurück ging es mit der Seilbahn Ngong Ping 360, die sich 6km lang über Insel „Lantau“  und die Tung Chung Bucht erstreckt. Die Strecke über der Bucht ist fast einen Kilometer lang, ohne Stützen… Etwas mulmig wurde mir bei der Abfahrt schon.

Kurz vor Sonnenuntergang begaben wir uns zum International Commerce Center (ICC) Tower und fuhren mit dem Aufzug in den 100. Stock zur Aussichtsplattform. Von dort hatten wir eine 360° Sicht auf die Stadt und die Bucht und nach Sonnenuntergang auch auf ein faszinierendes Lichtermeer.

Anschließend hatten wir Hunger und Sven hatte eine Idee wohin wir gehen könnten. „Trust me, it’s not as bad as it looks“ sagte er kurz bevor wir am Ziel waren. Das machte uns nicht unbedingt Mut, aber schließlich wohnte er hier und nicht wir. Doch als wir ankamen bestätigten sich unsere Zweifel. Das Gebäude mit dem Namen „Chungking Mansion“ ist  ein Gebäude in der Einkaufsmeile Nathan Road welches kaum weniger in die Gegend reinpassen könnte. Es ist ein absolut heruntergekommener und hässlicher Block Beton mit allen „Ausstattungen“ und Schreckgestalten die man sich vorstellen kann. Von harmlosen Marktschreiern und schleimigen Anzugsverkäufer hin zu Pennern, Drogendealern, Junkies und Prostituierten war alles dabei. Und das schon vor dem Eingang! Innen sah es ebenso schlimm aus, mit zwielichtigen Geldwechselstuben, Wettgeschäften, und Massagesalons, die mit schmalen, verworrenen, von Müll und Menschen überfüllten, dreckigen und schlecht beleuchteten Gängen verbunden waren. Sven, der ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen hatte, folgten wir mit erhöhtem Herzschlag auf Tritt und Schritt. Und zwar in ein flackernd beleuchtetes Treppenhaus, in dem wir fünf Stockwerke nach oben gingen. Auf dem Weg sahen wir zahlreiche große dunkelrote Flecken und Spritzer an Wänden und auf dem Boden. Doch bevor ich mich fragen konnte was hier einmal geschehen sein könnte, waren wir am Ziel: Ein sehr sauberes, gut riechendes und gemütliches indisches Restaurant. Es war ein wahnsinniger Kontrast zu der Szenerie die sich vor der Tür abspielte. Und doch war es wahr. Überdies war das Essen eines der besten indischen Essen die ich je gegessen habe. Wer hätte es gedacht? Diesen Laden hätte ich auf jeden Fall niemals im Leben selber gefunden, bzw. selbst mit dessen Adresse in der Hand an ein Missverständnis geglaubt.

Zum Abschluss des Abends ging es dann in die Temple Street, wo sich der berühmteste Hong Konger „Nachtmarkt“ befindet. Dort findet man alles und nichts. Viel Krimskrams, aber auch viele Kostbarkeiten aus der Kunstszene. Allerdings darf man nicht damit rechnen hier viele Originale zu finden. Fast alles was waren Imitate oder ganz billige Raubkopien. Doch es war einen Besuch wert.

Den nächsten Tag begannen wir mit einem ähnlichen Programm, und zwar mit einer Busfahrt hoch zum Victoria Peak, einem weiteren bekannten Berg in Hong Kong. Statt auf Wälder hatte man von hier allerdings einen Blick über die gesamte Stadt. Und heute war der Nebel nicht ganz so dicht, sodass wir klare Sicht auf das Meer und die wuchtigen Wolkenkratzer hatten. Den Abstieg nahmen wir dann zu Fuß in Angriff und schlenderten anschließend gemütlich durch die Gegend, um die Atmosphäre aufzusaugen. Eine wirklich spannende Stadt. Sehr chinesisch und doch sehr international. Mit Englisch kommt man problemlos zurecht und alles ist gut ausgeschildert (oft auch in Englisch). Es wimmelte nur so vor Menschen, allerdings waren wir alle hier groß und „anders“ genug, um uns problemlos durch die Menge zu bewegen. Kaum zu glauben, dass ich in Deutschland oder USA nur „durchschnittlich“ groß bin.

Nach Sonnenuntergang schauten wir uns am Wasserrand die Skyline-Lasershow an, die ebenfalls ein „must see“ ist. Die Show ist ähnlich der in Singapur, nur in größerem Ausmaße. Es ist eine 20-minütige Abfolge von Lichteffekten, die mit Musik synchronisiert ist und jeden Abend einmal stattfindet. Ein interessantes Zusammenspiel, doch nicht so spektakulär wie erhofft. Den Abend ließen wir dann in einer Rooftop-Bar mit einem Bier und einem fantastischem Blick auf die Stadt ausklingen. Von dieser Aussicht konnte ich einfach nicht genug bekommen! Dagegen sehen Singapur oder New York wirklich alt aus.

Und am nächsten Tag war es dann auch schon wieder Zeit für die Abreise. Allerdings ging es nicht direkt nach Hause, sondern weiter nach Taipeh, der Hauptstadt Taiwans, bzw. der Republik Chinas, wo ich einige Geschäftstreffen zu absolvieren hatte. (Nicht zu verwechseln mit der Volksrepublik China… aber dazu mehr im nächsten Eintrag.)