Monthly Archives: November 2013

Meine neue Wohnung in Fernost

Einerseits waren die ersten paar Wochen in Singapur, Malaysia und Indonesien Urlaub. Aber andererseits musste ich (mal wieder) ein neues Leben aufbauen. Das heißt Handyvertragsangebote vergleichen, Bankkonten eröffnen, öffentliche Verkehrsrouten erkunden, und natürlich eine Wohnungen finden. Und da Singapur ein stark umkämpfter Markt ist, mit Preisen die locker mit denen in Manhattan mithalten können, kommt man ohne Makler nicht zum Erfolg.

Die zehn teuersten Städte nach Mietpreisen
Die zehn teuersten Städte nach Mietpreisen

Über meinen Arbeitgeber konnte ich zum Glück eine seriöse Firma ausfindig machen, denn es tummeln sich – ähnlich wie in Deutschland – hunderte Abzocker im Markt. Zwei Halbtagesausflüge veranstaltete mein Makler mit mir, um verschiedene Gebäudekomplexe und Wohnung anzuschauen. Aus Kostengründen kamen Wohnung mit mehr als zwei Zimmern und Wohnungen in der unmittelbaren Innenstadt nicht infrage. Aber das passte gut, da ich alleine hier bin und mein Büro sowieso außerhalb der Stadt liegt. Die besichtigten Wohnungen waren alle in großen Wohnkomplexen angesiedelt, die erst in den letzten fünf Jahren hochgezogen wurden. Man merkt eben wie stark das Land gewachsen in den letzten paar Jahren.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Wohnungen in Singapur: „Condos“ und „HDBs“. Condos sind „Condominiums“ , also Wohnungen wie man sie aus den USA kennt. D.h. Privatpersonen oder Immobiliengesellschaften kaufen Wohnungen und vermieten sie dann weiter. Diese sind meist recht neu, modern, westlich eingerichtet (d.h. Klimaanlage, Spülmaschine und volle Küche) und haben oft „full facilities, also ein kleines Schwimmbecken oder einen Fitnessraum. Ausländer und wohlhabende Singapurianer sind die Hauptbewohner solcher Komplexe. „HDB“ steht für das„Housing Development Board of Singapore“, eine Entität die Sozialwohnkomplexe baut, besitzt und diese zu bezahlbaren Preisen an Privatpersonen vermietet. Diese Wohnkomplexe sind meist minderer Qualität, teilweise ohne Klimaanlage und mit „no facilities“. Diese Wohnungen sind günstiger und geräumiger und werden meist von ganzen Familien aller Gesellschaftsschichten bewohnt. Da die Mieten generall sehr hoch sind, es üblich ist, dass ein Jugendlicher erst nach seiner Hochzeit auszieht und dass die Großeltern bis zum Lebensende mit der Familie zusammen wohnen, sind ca. 90% der Singapurianer in HDBs untergebracht.

Da ich keine WG sondern eine Einzimmerwohnung wollte und Klimaanlage hier überlebensnotwendig ist, kam nur ein Condo infrage. An den beiden Tagen hatte ich mir sechs or sieben verschiedene Wohnungen angeschaut. Die Qualität war durchweg hoch und es kam primär auf Preis und Lage an. Letztendlich entschied ich mich für die kleinste aller besichtigten Wohnung (46m2), da sie exzellent gelegen ist. Direkt neben einer U-Bahn- und Busstation die ein wichtiger Verkehrsknoten im Osten Singapurs ist. Von dort kommt man in 25 Minuten in die Innenstadt, in 35 Minuten zum Büro und in 10 Minuten zum Flughafen. Zudem sind Geschäfte und Restaurants nur wenige Gehminuten entfernt.

Da es hier so gut wie keine möblierten Wohnungen gibt und ich keine Möbel aus den USA mitgebracht habe musste ich komplett von vorne ankommen. Glücklicherweise gibt es in Singapur zwei IKEAs. Zusammen mit Mandy hatte ich die gewünschten Möbel online schon zusammengesucht und auf eine Wunschliste gesetzt. Damit konnte ich dann in den Laden gehen, um alles auszusuchen. Da ich eine komplette Wohnung zu möblieren hatte brauchte ich – trotz Flatpacks – ganze vier (!) Einkaufswagen, um alles mitzunehmen. Und dabei waren ärgerlicherweise nicht einmal alle Möbelstücke verfügbar. Also brachte ich einen nach dem anderen der vier Wagen zum Lieferserviceschalter und machte mich auf dem Weg zu IKEA #2 am anderen Ende der Insel, wo die fehlenden Artikel dann tatsächlich auf Lager waren.

Wie üblich bei Lieferdiensten tut man sich schwer eine genaue Lieferzeit in Erfahrung zu bringen, bzw. man kriegt wenn dann nur ein ungefähres Zeitfenster mitgeteilt. Die Lieferung von IKEA #1 sollte drei Tage später zwischen 9 und 12 Uhr ankommen und die von IKEA #2 am selben Tag zwischen 14 und 17 Uhr. Also musste ich den ganzen Tag in der leeren Wohnung sitzen. Ohne Tisch, Stühle oder Bett. Und natürlich ohne Internet, das sollte nämlich erst zwei Wochen später angeschlossen werden. Und das wäre auch kein Problem gewesen… wenn denn die Lieferungen pünktlich gewesen wären. Ich war schon gegen 8:30 Uhr in der Wohnung, denn ich wollte zu spät sein. Ohne Bett hätte ich nämlich eine weitere Nacht im Hotel bezahlen müssen. Allerdings kam die erste Fuhre – trotz einiger Beschwerdeanrufe meinerseits – erst um 14 Uhr. D.h. ich saß 5,5 Stunden auf dem Boden, ohne die Wohnung verlassen zu können. Zum Glück hatte ich mir ein paar Brote zum Mittagessen mitgebracht.

Umso motivierter war ich aber dann als die Möbelpackungen tatsächlich kamen und ich mich ans Aufbauen machen konnte, bzw. musste. Denn ich hatte nun vor mir eine Couch, einen Couchtisch, ein großes Regal, eine Kücheninsel, eine Stehlampe, einen Schreibtisch, einen Schreibtischstuhl, ein breites Bett und einen Nachttisch, alle jeweils in Einzelteilen. Also war es nicht schlimm, dass die zweite Lieferung auch viel zu spät eintraf. Nämlich erst gegen 20 Uhr (3-6 Stunden zu spät…). Bis dahin war ich nämlich ziemlich platt. Fertig waren immerhin das Bettgestell, die Couch, der Couchtisch und der Nachttisch. Aber wichtig war die zweite Lieferung doch, denn so bekam ich endlich meine Matratze und konnte erschöpft ins Bett fallen.

Am nächsten Tag kam dann auch (sogar pünktlich) meine Lieferung mit dreißig (!) Kartons aus meiner Wohnung in den USA und ich hatte nun alles beisammen, wenn auch à la Tetris in Kisten gestapelt. Aber am Ende des zweiten Tages war tatsächlich alles ausgepackt und der erste Lebensmitteleinkauf getätigt, sodass ich eine vollständig bewohnbare Wohnung hatte!

Großer Preis von Singapur – Formel 1 bei Nacht

Kurz nach Rückkehr aus Bali wartete auch schon das nächste Abenteuer auf uns. Und zwar das Formel 1-Nachtrennen durch die Innenstadt von Singapur am 22.September. Weder Gerrit noch ich sind große Formel 1-Fans, doch da das Rennen zufällig genau während unseres Urlaubs stattfand, wollten wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Schon Wochen zuvor wurden Teile der Stadt abgesperrt, um die wuchtigen Streckenbegrenzungen und die Zuschauertribünen für das Rennen aufzustellen. Der „Marina Bay Street Circuit“, auch „Singapore GP Street Circuit“ genannt, hat 21 Kurven, ist nur 5km lang und führt quer durch die Innenstadt. Die längste Gerade beträgt nur 600 Meter. Vergleiche das mit dem 26km-langen Nürburgring und einer 2.600 Meter Geraden. Entsprechend gilt die Strecke in Singapur als eine der schwierigsten, aber auch als eine der schönsten. Statt Bäume und Wälder sieht man Hochhäuser und Meer, erleuchtet von über 1.600 Scheinwerfern. (In der Allianz Arena in München sind es “nur” 232 Strahler.)


View Singapore F1 Grand Prix Route in a larger map

Da Eintrittskarten sehr teuer sind, entschieden wir uns für die günstigste Ticketklasse (die aber immer noch über 100 Euro kostete…) ohne Sitzplatz und mit begrenzten Begehungsrechten. Doch das lange schon, um in die einmalige Atmosphäre einzutauchen. Zusammen mit den 85.000 anderen Zuschauern macht wir uns gegen Sonnenuntergang auf zur Strecke, die nur wenige Meter vom Eingang unseres Hotels entfernt lag. Es war brechend voll und man sah Menschen aus aller Welt, unter anderem auch viele Deutsche. Nur Asiaten sah man wenige, die wollten sich in dem Touristenscharmützel wohl nicht sehen lassen. Wir suchten uns einen Platz, was so viel bedeutete wie ein 20 mal 20 Zentimeter „Guckloch“ ausfindig zu machen, zusammengequetscht mit tausenden anderen. Wir sahen im besten Falle also nur einen Teil einer Kurve.

Und dann kam der Startschuss vom anderen Ende der Strecke. Den hörten wir zwar nicht, wohl aber die Motoren der 22 Rennboliden. Es klang wie ein wütender Bienenschwarm, der immer näher kam. Und als das erste Auto (gefahren von Sebastian Vettel natürlich) uns erreichte nutzten auch die Ohrstöpsel nichts mehr. Es war trommelfellerschütternd laut, ein schrilles Kreischen das alle anderen Geräusche, inklusive der Stimme des Kommentators, tausendfach übertönte. Und statt Autos hätten es auch Seifenkisten seien können, denn kaum hatten man ein Auto im Blickfeld, war es auch schon wieder weg. Ein kurz aufblitzender, farbiger unscharfer Fleck auf der Bindehaut. Wir hatten keine Ahnung wer wer war, wer wen überholt hatte, wer Boxenstopp machte, welche Unfälle an anderen Stellen passierten und wer in Führung war. Es war einfach ein wiederholtes Kommen und Gehen von bunten Farbkleksen unter tösendem Lärm.

Entsprechend schnell wurde uns langweilig und so spazierten wir über das Gelände, bis zur Padang-Bühne wo es eine Art „Public Viewing“ gab. Dort konnten wir dann besser verfolgen was passiert und freuten uns als zwei Stunden später Vettel durchs Ziel rauschte.

Vor und nach dem Rennen gab es überall in der Stadt Konzerte von berühmten Künstlern. Also schauten wir uns im Anschluss an die Siegerehrung auf der Padang-Bühne ein Konzert von Rihanna an. Darauf hatte ich mich ursprünglich sehr gefreut, doch leider spielte sie viele unbekannte Titel und kaum Hits, natürlich ebenfalls in ohrenbetäubender Lautstärke. Es war dennoch eine Gelegenheit etwas Dampf abzulassen und zu feiern. Nach dem Konzert öffnete der Veranstalter alle Ausgänge und man hatte die Gelegenheit die Rennstrecke abzulaufen. Das war nochmal ein klasse Gefühl, um den Blick von der Strecke auf die Skyline zu bewundern.

Nochmal hingehen würde ich vermutlich nicht, dafür war es zu teuer, doch es war auf jeden Fall eine einmalige Erfahrung die ich nicht missen möchte.