Von Hong Kong nach Taipeh sind es mit dem Flugzeug nur knapp 1,5 Stunden, ein Katzensprung im Vergleich zu den anderen Strecken innerhalb Asiens, denn z.B. von Singapur nach Shanghai sind es über fünf Stunden, nach Tokyo oder Sydney sogar knapp acht.
Es lief auch alles glatt und so war ich schon am späten Vormittag in Taipeh, der größten Stadt auf der Insel Taiwans, welche wiederum 99% der Republik Chinas ausmacht. Die demokratische Republik beherrschte bis 1949 statt der Insel fast das gesamte Festland-China, bis deren Anhänger durch die Niederlage gegen die kommunistische Volksrepublik China im Chinesen Bürgerkrieg aus dem Land vertrieben wurden. Die Insel Taiwan war lange Zeit eine japanische Kolonie, bis zu deren vollständigen Kapitulation mit dem Ende des zweiten Weltkrieges, als die Anhänger der Republik Chinas die Insel besetzten. Der Status Taiwans als selbstständiger Staat wird – im Gegensatz zur Weltgemeinschaft – von der Volksrepublik Chinas bis zum heutigen Tage nicht anerkannt.
Seit den 80er Jahren läuft allerdings ein langsamer Prozess der Annährung, der vor allem auf wirtschaftlichen Interessen basiert, denn zahlreiche Tech-Giganten stammen aus Taiwan, u.a. ASUS, Foxconn, und Taiwan Semiconducter, der nach Intel und Samsung der weltweit drittgrößte Halbleiterhersteller ist. Taiwan ist neben Südkorea und Japan in vielerlei Hinsichten das „Silicon Valley“ Asiens.
Taipeh (2,7 Millionen Einwohner) ist die Hauptstadt der Volksrepublik Chinas (23 Millionen Einwohner) und liegt im nördlichen Teil der Insel Taiwans. Die Landessprachen sind Mandarin Chinesisch und dessen Dialekt Taiwanesisch. Die Stadt an sich empfand ich als überraschend „chinesisch“, im Vergleich zu Hong Kong oder Singapur wo man auch problemlos mit Englisch klarkommt. In Taipeh hingegen sah man nicht immer englische Schilder und konnte auch nicht davon ausgehen, dass der Taxifahrer oder das Restaurantpersonal Englisch verstand. So musste ich öfters (und meist vergeblich) meine paar Fetzen Chinesisch anwenden. Doch genau das machte meine Erfahrung authentisch.
Ich hatte zweierlei Anlässe für meine Geschäftsreise nach Taipeh: Einige Wochen zuvor hatte ich eine neue Stelle in meiner Firma angetreten. Diese hatte ich von einer in Taipeh ansässigen Kollegin übernommen und nun sollte die Übergabe stattfinden. Zudem fand im Zeitraum meines Aufenthalts eine Konferenz statt, an der ich teilnehmen sollte. Diese beiden Gründe nahm ich zum Anlass auch noch ein paar Tage zum Sightseeing dranzuhängen.
Leider war das Wetter während meines gesamten Aufenthalts eher bescheiden, mit viel Regen und Nebel. Doch dennoch machte ich das Beste daraus. Ich konnte viele Leute kennenlernen und viele Sehenswürdigkeiten bewundern. Vor allem aber hatte ich die Gelegenheit viel zu essen! Das Land ist nämlich für ihre Küche bekannt. So brachten mich meine (übertrieben freundlichen) Gastgeber pro Abend gleich zu mehreren Lokalen. Genau kann ich nicht wiedergeben was ich gegessen habe, da viele Gerichte (und auch Restaurants) keine englischen Namen haben. Doch alles war identifizierbar und appetitlich (im Vergleich zu vielen anderen chinesischen Gerichten), vor allem aber sehr lecker! Was mich besonders freute war die Besessenheit der Taiwanesen mit Süßigkeiten und Nachspeisen. So war sichergestellt, dass mein Magen während der gesamten Woche durchgängig gefüllt war.
Neben meinen geschäftlichen Verpflichtungen und abendlichen Restauranttouren hatte ich die Gelegenheit mich mit zwei Kommilitonen zu treffen, mit denen ich zusammen an der Rutgers University studiert hatte. Sie stammen beide ursprünglich aus Taipeh und es war schön von ein paar bekannten Gesichtern durch die Stadt geführt zu werden. So hatte ich u.a. die Gelegenheit die Stadt vom 86. Stock des „Taipei 101“ aus zu bewundern, das National Palace Museum zu besichtigen, den Longshan Tempel zu besuchen, beim Huaxi Night Market vorbeizuschauen und an der lokalen Firmenweihnachtsfeier teilzunehmen.
Insgesamt hat mir das Land sehr gut gefallen. Erst in Ländern wie Vietnam oder Taiwan fällt einem auf wie westlich Europa (aber auch Singapur) eigentlich ist und was für ein komplett anderes Ökosystem in diesen Ländern existiert. Es ist faszinierend zu sehen wie die Leute in asiatischen Ländern ihr tägliches Leben beschreiten, größtenteils abgeschottet von den Geschehnissen in Amerika und Europa. Ein ganz anderes Leben das sich vor dem unseren nicht verstecken muss, uns aber vor allem auf Grund der Sprachbarriere größtenteils versperrt bleibt. Ich hoffe auch weiterhin in den nächsten anderthalb Jahren zumindest an der Oberfläche dieser Fülle an kulturellen Eindrücken kratzen zu können.