Ho Chi Minh Stadt, Vietnam

Da ich meine Zeit hier maximal nutzen will versuche ich an Wochenende zu reisen wann immer ich kann. Und da ich ungerne alleine reise fange ich mit all den Orten an wo ich Leute kenne. Und das begann am 1. November mit einem Ausflug nach Vietnam. Dort wohnt seit einem halben Jahr mein Freund und ehemaliger BiTS-Kollege Julian. Genauer gesagt ist er in Ho Chi Minh City, der – mit über 7 Millionen Einwohnern –  größten Stadt Vietnams. Sie liegt ganz im Süden des langgestreckten Landes. Am anderen Ende liegt die Hauptstadt, Hanoi, in der knapp 6,5 Millionen Menschen leben.


View Larger Map

Die Reiseplanung für meinen Kurztrip machte direkt schon klar, dass Asien nicht wie Europa ist. Die Länder liegen zwar ähnlich nah zusammen, doch die Einreisebestimmungen trennen Welten. Wo ich in Indonesien und Malaysia noch ohne Visum, bzw. „visa on arrival“ reisen konnte, so standen für Vietnam eine Vorabgenehmigung, 40 USD Gebühr, zwei Antragsformulare und zwei Passbilder an. Und damit war die Einreise noch nicht garantiert, sondern es wurde eine „Empfehlung“ ausgesprochen die dem Grenzbeamten am Flughafen vorgelegt werden musste.

Da ich das ewige Warten an der Passkontrolle wie in Indonesien vermeiden wollte spurtete ich nach dem zweistündigen Flug bei Ankunft direkt bis zur Ankunftshalle. Da standen dann auch nur drei Leute vor mir und nach zehn Minuten war ich dran. Doch der Beamte schaute meinen „pre-approval letter“ nur ausdruckslos an, zeigte auf eine Menschenmasse am anderen Ende der Halle und sagte in gebrochenem English: „You need visa“. „But I have a visa!“ „No, you have pre-approval, you need to get visa, then come back“.

Verdammt! Da ging also mein Zeitvorteil hin. An dem Schalten standen, saßen und schliefen nämlich schon ca. 100 Menschen. Keine klare Schlange oder Organisation war ersichtlich. Ich kämpfte mich durch die Masse zu einem mit Panzerglas-geschützten Schalter. Dort schob ich Pass und Unterlagen durch eine kleine Klappe und stellte mich auf langes Warten ein. Nach einer nervenaufreibenden Stunde ohne Pass und ohne Wartenummer wurde endlich mein Name aufgerufen und ich bekam meinen Pass samt eingeklebtem Visum wieder. Damit kam ich dann auch problemlos durch die Passkontrolle und konnte meinen Urlaub beginnen.

Julian hatte sich schon gut eingelebt und einen Motorroller organisiert, mit dem er mich am Tan Son Nhat International Airport abholte. Ohne sieht es in Ho Chi Minh auch schlecht aus, denn öffentliche Verkehrsmittel sind – trotz der hohen Menschendichte – nicht allgegenwärtig und vor allem nicht zuverlässig. Aber der Roller wirkte anfänglich auch etwas abenteuerlich. Mein Helm war gefühlt so dünn wie eine Eierschale und die Straßenführung konfus. Aber das war alles nichts im Vergleich zum Verkehr. Ich fand es auf Bali ja schon verrückt, aber da saß ich in einem Auto und nicht auf einem Roller. Links, rechts, vorne und hinten Mofas und gelegentlich ein Auto, LKW oder Bus. Der Sicherheitsabstand beginnt und endet mit der Stoßstange und das Tempolimit wird durch die Geschwindigkeit der Vordermänner bestimmt. Wie Regen auf felsigem Boden schlängelte sich der Verkehr mühelos und fließend überall durch und füllte alle Freiräume. Wer abbiegen wollt bog eben ab. Ohne Blinker und ohne in den Spiegel zu schauen. Und dazu noch ganz entspannt. Man hörte kein Geschrei, kein Gehupe und – am allerwichtigsten – kein klirrendes Glas or schepperndes Blech. Ich konnte kaum hinschauen und klammerte mich einfach fester an die Haltegriffe.

Doch nach einigen Tagen der Beobachtung und durch Julians Erläuterungen wurde mir das Konzept klar. Und es ist eigentlich so einfach wie genial: Alle haben dieselbe Einstellung und Erwartung. Und zwar: Selbsterhaltung. Mehr nicht. Keiner denkt über Verkehrsregeln nach, sondern nur um die eigene Unversehrtheit. Und das beginnt mit Berechenbarkeit. Keine verrückten Schlenker oder Bremsmanöver. Und jeder rechnet immer und überall mit dem Schlimmsten, fährt hochkonzentriert und regt sich nicht auf. Zudem ist Selbstbewusstsein wichtig. Einfach losfahren, ganz langsam und in einer geraden Linie. Dann kann man auch lässig auf der falschen Straßenseite entlangtuckern. Die anderen Fahrer werden es sehen und ausweichen. Es sei denn sie sind größer als man selbst, dann gilt „groß vor klein“. Mofa trumpft Fußgänger. Auto trumpft Mofa. Bus trumpft Auto. Wer einem Bus in die Quere kommt sieht alt aus. Mit dieser Logik kommt man erstaunlich weit und am zweiten Tag schon machte das Mofa(mit)fahren sogar richtig Spaß.

Aber Ho Chi Minh ist auch ohne Verkehr eine chaotische Stadt. Es ist als ob jemand eine Handvoll Geschäfte, Restaurants, Hotels, Büros und Wohnung genommen, geschüttelt und zufällig auf ein Flecken Erde geschleudert hat. Wie Pilze im Wald „wachsen“ hier Geschäfte, Essensstände in allen Ecken. Definitiv nochmal eine Nummer verrückter als Bali. Doch irgendwie auch liebenswert. Touristen sah man zwar immer noch zuhauf, doch meist nur in der unmittelbaren Innenstadt. In nur zehn Minuten kommt man ins authentische Vietnam. Man hört nur noch Vietnamesisch, sieht keinen Weißen mehr und kann richtig Erleben! Und das wollte ich auch, und zwar den Alltag, die Atmosphäre und die Kultur.

Und was ich sah war ein Volk noch immer geprägt vom Vietnamkrieg. Ho Chi Minh, bzw. damals noch „Saigon“, war eine der Hauptschauplätze des Krieges. Der demokratische Süden leistete dem kommunistischen Norden Wiederstand und bat die USA um Hilfe. Dessen Armee kam siegessicher, doch war hoffnungslos überfordert und griff  nach mehreren Misserfolgen zu drastischen Mitteln. Unter anderem zu „Agent Orange“, dem berühmt-berüchtigten Entlaubungsmittel, mit dem tausende Quadratkilometer Dschungel (und zwangsläufig auch große Teile der Zivilbevölkerung) besprüht wurden. Im Norden der Stadt sieht man noch immer große Wälder die aussehen wie Schachbretter, da sie nach Kriegsende auf dem kahlen Ödland komplett neu künstlich angelegt werden mussten. Zudem gibt es noch immer Überlebende bzw. Nachfahren bei denen starke Fehlbildungen sichtbar sind.

Und auch die Stadt selbst trägt noch Zeichen des Krieges. So hatte der Norden nach der Kapitulation des Südens die Stadt von „Saigon“ kurzerhand in „Ho Chi Minh City“ umgetauft, als Zeichen des Sieges des Kommunismus und des Revolutionärsführers Ho Chi Minh. Außerdem wurde kurz danach das „Museum of American War Crimes“ eröffnet, dass die (etwas übertriebene aber doch sehr beängstigende) vietnamesische Sicht des Krieges dokumentiert. Mittlerweile wurde der Name etwas entschärft und die Institution heißt nun „War Remnants Museum“. Dort findet man etliche Fotos, Augenzeugenberichte und Ausstellungsstücke die eine andere Geschichte erzählen als die die man in den USA serviert bekommt. Spannend!

Außerhalb der Stadt gibt es auch noch einige erhaltene Schauplätze. Unter anderem die „C? Chi Tunnels“, wo man noch heute Überreste der Tunnelsysteme der nordvietnamesischen Vietcong finden kann. Erst nach meinem Besuch dort wurde mir klar wie hoffnungslos die Mission der USA damals wirklich war. Gegen den Guerillakrieg des Nordens hatten sie keine Chance. Tückische Fallen, Ablenkungstaktiken, verworrene Strukturen und Tunnel durch die ein Normalsterblicher kaum seinen Kopf stecken konnte, geschweige denn seinen ganzen Körper samt Militärausrüstung. Einen der Tunnel konnte man sogar begehen, bzw. „bekriechen“. Und selbst nach der Erhöhung von 1m auf 1,5m bekam ich in dem 200m langen Tunnel noch etwas Platzangst.

Neben den Kriegseinflüssen sieht man auch wie Schwäche der Wirtschaft in Vietnam. Und zwar am deutlichsten am Preisniveau. Ein Euro sind knapp 30.000 vietnamesische Dong. Mit 100.000 Dong (also ca. €3,50) kann man entweder drei Mal im Restaurant Essen gehen, sechs 0,5L Bier trinken, sechs Kilo Reis kaufen, sieben Kilometer mit dem Taxi fahren, oder vier Liter Benzin tanken. Entsprechend habe ich für Essen, Trinken, Museumseintritte und Mofaparken in drei Tagen nur €70 ausgegeben. Mein Hotel hat für drei Nächte nur €30 gekostet und den Flug gab es für €150. In Summe als €250, wahnsinn…

„Wahnsinn“ war auch das Essen! Das ist in Vietnam nicht nur günstig, sondern auch sehr lecker. Man musste zwar aufpassen, dass man nicht direkt vom Straßenhändler kauft und die Finger vom Leitungswasser lässt, aber ansonsten war alles einmalig. Ph? , Bún Ch?, C?m T?m, Bánh Mì und G?i Cu?n. Alles frisch und alles lecker! Und serviert von sehr freundlichen Restaurantbesitzern.

Insgesamt fand ich Vietnam ein sehr spannendes Land. Neben Singapur ist es mein neues Lieblingsland in Asien. Authentisch, freundlich und komplett anders als jegliches Land in Europa oder Amerika. Auf jeden Fall einen Besuch wert.

Meine neue Wohnung in Fernost

Einerseits waren die ersten paar Wochen in Singapur, Malaysia und Indonesien Urlaub. Aber andererseits musste ich (mal wieder) ein neues Leben aufbauen. Das heißt Handyvertragsangebote vergleichen, Bankkonten eröffnen, öffentliche Verkehrsrouten erkunden, und natürlich eine Wohnungen finden. Und da Singapur ein stark umkämpfter Markt ist, mit Preisen die locker mit denen in Manhattan mithalten können, kommt man ohne Makler nicht zum Erfolg.

Die zehn teuersten Städte nach Mietpreisen
Die zehn teuersten Städte nach Mietpreisen

Über meinen Arbeitgeber konnte ich zum Glück eine seriöse Firma ausfindig machen, denn es tummeln sich – ähnlich wie in Deutschland – hunderte Abzocker im Markt. Zwei Halbtagesausflüge veranstaltete mein Makler mit mir, um verschiedene Gebäudekomplexe und Wohnung anzuschauen. Aus Kostengründen kamen Wohnung mit mehr als zwei Zimmern und Wohnungen in der unmittelbaren Innenstadt nicht infrage. Aber das passte gut, da ich alleine hier bin und mein Büro sowieso außerhalb der Stadt liegt. Die besichtigten Wohnungen waren alle in großen Wohnkomplexen angesiedelt, die erst in den letzten fünf Jahren hochgezogen wurden. Man merkt eben wie stark das Land gewachsen in den letzten paar Jahren.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Wohnungen in Singapur: „Condos“ und „HDBs“. Condos sind „Condominiums“ , also Wohnungen wie man sie aus den USA kennt. D.h. Privatpersonen oder Immobiliengesellschaften kaufen Wohnungen und vermieten sie dann weiter. Diese sind meist recht neu, modern, westlich eingerichtet (d.h. Klimaanlage, Spülmaschine und volle Küche) und haben oft „full facilities, also ein kleines Schwimmbecken oder einen Fitnessraum. Ausländer und wohlhabende Singapurianer sind die Hauptbewohner solcher Komplexe. „HDB“ steht für das„Housing Development Board of Singapore“, eine Entität die Sozialwohnkomplexe baut, besitzt und diese zu bezahlbaren Preisen an Privatpersonen vermietet. Diese Wohnkomplexe sind meist minderer Qualität, teilweise ohne Klimaanlage und mit „no facilities“. Diese Wohnungen sind günstiger und geräumiger und werden meist von ganzen Familien aller Gesellschaftsschichten bewohnt. Da die Mieten generall sehr hoch sind, es üblich ist, dass ein Jugendlicher erst nach seiner Hochzeit auszieht und dass die Großeltern bis zum Lebensende mit der Familie zusammen wohnen, sind ca. 90% der Singapurianer in HDBs untergebracht.

Da ich keine WG sondern eine Einzimmerwohnung wollte und Klimaanlage hier überlebensnotwendig ist, kam nur ein Condo infrage. An den beiden Tagen hatte ich mir sechs or sieben verschiedene Wohnungen angeschaut. Die Qualität war durchweg hoch und es kam primär auf Preis und Lage an. Letztendlich entschied ich mich für die kleinste aller besichtigten Wohnung (46m2), da sie exzellent gelegen ist. Direkt neben einer U-Bahn- und Busstation die ein wichtiger Verkehrsknoten im Osten Singapurs ist. Von dort kommt man in 25 Minuten in die Innenstadt, in 35 Minuten zum Büro und in 10 Minuten zum Flughafen. Zudem sind Geschäfte und Restaurants nur wenige Gehminuten entfernt.

Da es hier so gut wie keine möblierten Wohnungen gibt und ich keine Möbel aus den USA mitgebracht habe musste ich komplett von vorne ankommen. Glücklicherweise gibt es in Singapur zwei IKEAs. Zusammen mit Mandy hatte ich die gewünschten Möbel online schon zusammengesucht und auf eine Wunschliste gesetzt. Damit konnte ich dann in den Laden gehen, um alles auszusuchen. Da ich eine komplette Wohnung zu möblieren hatte brauchte ich – trotz Flatpacks – ganze vier (!) Einkaufswagen, um alles mitzunehmen. Und dabei waren ärgerlicherweise nicht einmal alle Möbelstücke verfügbar. Also brachte ich einen nach dem anderen der vier Wagen zum Lieferserviceschalter und machte mich auf dem Weg zu IKEA #2 am anderen Ende der Insel, wo die fehlenden Artikel dann tatsächlich auf Lager waren.

Wie üblich bei Lieferdiensten tut man sich schwer eine genaue Lieferzeit in Erfahrung zu bringen, bzw. man kriegt wenn dann nur ein ungefähres Zeitfenster mitgeteilt. Die Lieferung von IKEA #1 sollte drei Tage später zwischen 9 und 12 Uhr ankommen und die von IKEA #2 am selben Tag zwischen 14 und 17 Uhr. Also musste ich den ganzen Tag in der leeren Wohnung sitzen. Ohne Tisch, Stühle oder Bett. Und natürlich ohne Internet, das sollte nämlich erst zwei Wochen später angeschlossen werden. Und das wäre auch kein Problem gewesen… wenn denn die Lieferungen pünktlich gewesen wären. Ich war schon gegen 8:30 Uhr in der Wohnung, denn ich wollte zu spät sein. Ohne Bett hätte ich nämlich eine weitere Nacht im Hotel bezahlen müssen. Allerdings kam die erste Fuhre – trotz einiger Beschwerdeanrufe meinerseits – erst um 14 Uhr. D.h. ich saß 5,5 Stunden auf dem Boden, ohne die Wohnung verlassen zu können. Zum Glück hatte ich mir ein paar Brote zum Mittagessen mitgebracht.

Umso motivierter war ich aber dann als die Möbelpackungen tatsächlich kamen und ich mich ans Aufbauen machen konnte, bzw. musste. Denn ich hatte nun vor mir eine Couch, einen Couchtisch, ein großes Regal, eine Kücheninsel, eine Stehlampe, einen Schreibtisch, einen Schreibtischstuhl, ein breites Bett und einen Nachttisch, alle jeweils in Einzelteilen. Also war es nicht schlimm, dass die zweite Lieferung auch viel zu spät eintraf. Nämlich erst gegen 20 Uhr (3-6 Stunden zu spät…). Bis dahin war ich nämlich ziemlich platt. Fertig waren immerhin das Bettgestell, die Couch, der Couchtisch und der Nachttisch. Aber wichtig war die zweite Lieferung doch, denn so bekam ich endlich meine Matratze und konnte erschöpft ins Bett fallen.

Am nächsten Tag kam dann auch (sogar pünktlich) meine Lieferung mit dreißig (!) Kartons aus meiner Wohnung in den USA und ich hatte nun alles beisammen, wenn auch à la Tetris in Kisten gestapelt. Aber am Ende des zweiten Tages war tatsächlich alles ausgepackt und der erste Lebensmitteleinkauf getätigt, sodass ich eine vollständig bewohnbare Wohnung hatte!